Vorwort des
Vorstandsvorsitzenden


Sehr geehrte Damen und Herren,
die Bahn ist Teil der Lebensadern dieses Landes. Jeden Tag bringen wir Millionen von Menschen und Gütern sicher und umweltfreundlich ans Ziel. Das ist ein Leitgedanke hinter unserer neuen DB-Dachstrategie „Starke Schiene“. Mit ihr haben wir die Grundlage gelegt für ein nie dagewesenes Ausbau- und Modernisierungsprogramm. Wir setzen voll auf Wachstum und Verkehrsverlagerung – auch im Sinne einer klimafreundlichen Mobilitätswende. Vor uns liegt ein Jahrzehnt der Eisenbahn, das wir kraftvoll gestalten wollen und bei dem wir unseren Beitrag für eine grüne und mobile Zukunft dieses Landes beisteuern möchten.
Wie eng Gesellschaft und Bahn miteinander verwoben sind, spüren wir gerade durch die Corona-Pandemie. Die DB steht für den Kontakt zwischen Menschen und den Austausch von Waren. Wenn beides signifikant zurückgeht, hat das natürlich Auswirkungen auf unser Geschäft. Es wird aber auch deutlich, wie wichtig die Verkehrsdienstleistungen der DB für die Mobilität der Menschen und die logistische Versorgung der Wirtschaft sind. Deshalb haben wir alle Energie daran gesetzt, den Betrieb so umfangreich, so lange und so gut wie möglich aufrechtzuerhalten, um in Deutschland eine stabile und hohe Grundversorgung mit Mobilität und Logistik zu gewährleisten. Dabei haben wir von Beginn an dem Schutz von Kundinnen und Kunden sowie unserer Mitarbeitenden absoluten Vorrang gegeben.
Auch wenn wir die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf unsere finanzielle Situation noch nicht abschließend quantifizieren können, ist schon heute erkennbar, dass die Geschäftsentwicklung in 2020 erheblich negativ beeinflusst sein wird. Beirren lassen wir uns davon aber nicht. Die Bahn ist und bleibt der Schlüssel für gelebten Klimaschutz und nachhaltige Mobilitätswende. Wir verfolgen weiter unser Ziel, das Rückgrat grüner Mobilität zu werden und werden hierzu auch in diesem Jahr an unserer Investitions- und Rekrutierungsoffensive festhalten.
Um unseren Beitrag für eine nachhaltige Klima- und Mobilitätswende zu leisten, haben wir uns strategisch viel vorgenommen: Im Fernverkehr wollen wir die Anzahl der Fahrgäste auf 260 Millionen verdoppeln. Dafür investieren wir in Fahrzeuge, schaffen zusätzliche Angebote und führen sukzessive den Deutschlandtakt ein, der halbstündliche Verbindungen zwischen den größten Metropolen bietet. Im Nahverkehr wollen wir eine Milliarde zusätzlicher Kunden gewinnen. Bei DB Cargo wollen wir um mehr als 70 Prozent wachsen. Diese Zielsetzung ist konsistent mit der Wachstumserwartung des Bundes, um damit den Marktanteil des Schienengüterverkehrs auf 25 Prozent zu steigern. Zur Realisierung dieses ehrgeizigen Wachstumsprogramms erhöhen wir die Netzkapazität um mehr als 30 Prozent, was eine zusätzliche Betriebsleistung von 350 Mio. Trassenkilometern bedeutet.
Die Ausgangsbedingungen für diese ambitionierten Vorhaben könnten besser nicht sein: Politik und Gesellschaft haben sich klar der Stärkung der Eisenbahn und der Verlagerung von Verkehr auf die Schiene verschrieben. Das sehen wir an zahlreichen Entscheidungen, die 2019 zugunsten des Verkehrsträgers getroffen wurden. Dazu zählen etwa die Beschlüsse des Gesetzgebers, mit denen der Schiene eine Schlüsselrolle beim Erreichen der Umweltziele im Verkehrssektor zugeschrieben wurde. Gerade die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Fernverkehrstickets war hier ein wichtiger Schritt. Auch die deutliche Mittelsteigerung für Erhalt und Modernisierung des Schienennetztes, der Bahnhöfe und Energieanlagen im Rahmen der dritten Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV III) sowie die weiteren Mittel aus dem Klimapaket für die Infrastrukturgesellschaften leisten einen entscheidenden Beitrag für die Erhöhung von Kapazität und Qualität der Infrastruktur.
Die politischen und gesellschaftlichen Signale für eine substantielle Stärkung der Eisenbahn stehen also auf Grün. Für diese Unterstützung sind wir dankbar. An die vor uns liegenden Aufgaben gehen wir mit Demut und Disziplin. Statt um den schnellen Effekt geht es uns um eine nachhaltige Leistungssteigerung im Kern. Dazu braucht es Ausdauer und Geduld, denn der Um- und Ausbau der DB ist eine Generationenaufgabe. Klar ist: Mit allem, was wir tun, wollen wir für unsere Kundinnen und Kunden spürbar besser werden.
Eine steigende Nachfrage bestärkt uns auf diesem Weg. Immer mehr Reisende nutzten die Bahn zuletzt als komfortable, klimafreundliche Alternative zu Auto und Flugzeug. Insgesamt fuhren 2019 rund 151 Millionen Fahrgäste, darunter auch viele Neukunden, mit unseren Fernzügen – ein neuer Rekordwert. Wir freuen uns über jeden dieser Umsteiger und arbeiten hart daran, auch unsere Neukunden mit besserem Service und mehr Zuverlässigkeit zu überzeugen.
Optimistisch stimmende Signale sehen wir auch bei der Pünktlichkeit. Sie lag im Fernverkehr 2019 bei 75,9 Prozent, insgesamt ein Prozentpunkt über Vorjahr. Dies trotz eines Bauaufkommens, das auf Rekordniveau geklettert ist. Hier machen sich die Anstrengungen der letzten Jahre zur Eindämmung betrieblicher Auswirkungen aus Bauaktivitäten positiv bemerkbar. Auch im Nahverkehr sahen wir eine leichte Verbesserung auf 94,3 Prozent. Insgesamt lag die Pünktlichkeit unseres Personenverkehrs damit bei 93,9 Prozent, also 0,4 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Dieser leicht positive Trend macht Mut und zeigt uns, dass unsere konkreten Maßnahmen und Konzepte sowie der engagierte Einsatz der Kolleginnen und Kollegen für mehr Pünktlichkeit greifen. Wir kommen Stück für Stück voran.
Mit der Entwicklung der finanziellen Kennzahlen können wir vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen zufrieden sein: Der bereinigte Umsatz des DB-Konzerns stieg 2019 leicht um knapp ein Prozent auf 44 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT bereinigt) lag bei 1,8 Milliarden Euro, ein Minus von 13 Prozent. Dieser Rückgang ist im Kontext umfangreicher Zukunftsausgaben zur Verbesserung von Qualität und Service zu sehen. Mit unserer Dachstrategie „Starke Schiene“ stehen wir am Anfang eines gewaltigen Investitions- und Wachstumsprogrammes. Erste Grundsteine dafür sind gelegt, und die weitere kraftvolle Umsetzung hat für uns oberste Priorität.
Wir sind überzeugt, dass wir die notwendigen Zukunftsinvestitionen in eine bessere Bahn und eine starke Schiene jetzt angehen müssen. Das wird sich in den nächsten Jahren auch in niedrigeren operativen Ergebnissen äußern, weil viele Maßnahmen zunächst zu höheren Aufwendungen führen werden. Und auch externe Herausforderungen wie die Corona-Krise werden natürlich Auswirkungen auf unsere Zahlen haben. Die finanzielle Stabilität der DB haben wir dabei fest im Blick. So hat sich unsere Verschuldung 2019 mit knapp über 24 Milliarden Euro sogar etwas besser entwickelt als erwartet. Die DB bleibt ein verlässlicher Partner für Kapitalmarkt und Investoren.
Von unserem massiven Ausbaukurs profitiert auch das Klima. Schon heute ist die Schiene der umweltfreundlichste Verkehrsträger – und wir als DB der größte Ökostromverbraucher in Deutschland: Aktuell liegt der Ökostromanteil im Bahnstrommix bereits bei 60 Prozent. Die nächste Zielmarke ist ein Anteil von 80 Prozent bis 2030. Bis spätestens 2038 werden wir den von der DB genutzten Bahnstrom komplett auf Ökostrom umstellen.
Essentiell für den Klimaschutz ist eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene. Dafür bringen wir die Infrastruktur weiter auf Vordermann. Denn das ist der Schlüssel nicht nur für Wachstum, sondern auch für gute Betriebsqualität und hohe Pünktlichkeit. Allein 2019 haben wir 1.500 Kilometer Gleise und 1.600 Weichen modernisiert und fast elf Milliarden Euro investiert. Zudem sind rund 650 große und kleine Bahnhöfe erneuert worden. Wir treiben zudem den Aus- und Neubau des Netzes voran und sorgen für mehr Akzeptanz von Großprojekten. Auch bei der Digitalisierung – Stichwort „Digitale Schiene Deutschland“ – drücken wir aufs Tempo. Letztes Jahr nahmen wir in Rostock-Warnemünde das erste digitale Stellwerk für den Betrieb auf einer Fernverkehrsstrecke in Betrieb. In diesem Jahr erwarten wir die Finanzierung eines ETCS-„Starterpakets“, auf dessen Erfahrungen dann der industrielle Rollout der digitalen Schiene in Deutschland stattfinden wird.
Im Fernverkehr haben wir 2019 auf besonders nachfragestarken Strecken, wie Berlin-München, Berlin-Frankfurt oder Hamburg-Rhein/Ruhr, das Angebot spürbar ausgebaut. Ermöglicht wird dies auch durch unser neues Flaggschiff, den ICE 4, von dem in kurzen Abständen fabrikneue Exemplare in Betrieb gehen. Zudem wurden die Weichen für den Kauf von 30 weiteren Hochgeschwindigkeits- sowie 23 ECx-Zügen gestellt. Darüber hinaus haben wir die kurzfristige zusätzliche Erweiterung unserer Intercity-Flotte um 17 neuwertige Doppelstockzüge beschlossen. Sie werden auf der neuen Linie Rostock-Berlin-Dresden unterwegs sein, mit der wir den Fernverkehr im Osten Deutschlands weiter verbessern.
DB Regio hat sich 2019 weiter als starker Marktführer gezeigt. Im hart umkämpften Markt für Nahverkehr auf der Schiene erzielte das Unternehmen eine Gewinnquote von 76 Prozent des Ausschreibungsvolumens, um das sich DB Regio bewerben konnte. Das ist eine Steigerung um sechs Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Der Marktanteil von DB Regio liegt damit 25 Jahre nach der Liberalisierung des Regionalverkehrsmarktes bei 64 Prozent.
Bei DB Cargo vollziehen wir derzeit ein ambitioniertes Wendemanöver, um uns voll und ganz auf Wachstum auszurichten. Das bedeutet auch, die Potentiale der Digitalisierung stärker zu nutzen: Ende 2019 waren bereits 43.700 Wagen mit modernster Telematik und intelligenter Sensorik ausgerüstet. Bis Ende 2020 soll die komplette Flotte in Deutschland den neuen Standards entsprechen. DB Schenker befindet sich ebenfalls auf Digitalisierungskurs: So wurden 2019 an mehreren Logistikstandorten Exoskelette getestet, zur Unterstützung von Hebe- und Drehbewegungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Am Standort Leipzig wurde mit einem Test von KI-gesteuerten Logistikrobotern begonnen.
Wir sind überzeugt, dass Digitalisierung und Vernetzung die Attraktivität unserer Angebote deutlich steigern, z. B. die Services der digitalen Reisebegleitung, die wir kontinuierlich ausbauen. 2019 haben wir etwa den „Komfort Check-in“ erweitert sowie auf bahn.de und im DB Navigator – der im Dezember sein zehnjähriges Jubiläum feierte! – eine neue Auslastungsanzeige eingeführt. Zudem haben wir 2019 damit begonnen, WLAN auch in unsere Intercity-Flotte zu bringen. Auch für unsere On-Demand-Mobilitätsdienste unter der Marke „ioki“ war 2019 ein gutes Jahr. So haben wir unseren innovativen Elektroshuttle-Service in Hamburg auf einen weiteren Stadtteil ausgedehnt.
Wir brennen dafür, die Zukunft des Eisenbahnsystems zum Wohle des Klimas, der Gesellschaft sowie unserer Kundinnen und Kunden zu gestalten. Seit der Wiedervereinigung wurde der Eisenbahn keine so zentrale Rolle zuerkannt wie heute. Dieser Verpflichtung stellen wir uns. Denn Deutschland braucht eine starke Schiene. Das ist unser Anspruch für die nächsten Jahre – und unser Ansporn an jedem neuen Tag.
Herzlichst
Dr. Richard Lutz
Vorstandsvorsitzender der
Deutschen Bahn AG