Digitalisierungsprojekte und -konzepte im Fokus
Künstliche Intelligenz im Bahnbetrieb
- Bei den S-Bahnen Stuttgart, Rhein-Main und München unterstützt KI bereits die Disponent:innen dabei, den Verkehr im Störungsfall möglichst effizient zu steuern. Der DB-Konzern zieht eine positive Bilanz über den Einsatz von KI im Bahnbetrieb: Durch den Einsatz des selbst entwickelten Tools konnten 2022 bereits mehr als 58.000 Verspätungsminuten vermieden werden. Das bedeutet im eng getakteten S-Bahn-Netz eine signifikante Verbesserung. So gewinnt die S-Bahn, trotz der Einschränkungen durch Bauarbeiten zur Modernisierung der Strecken, an Stabilität. Aufgrund der hervorragenden Ergebnisse aus dem Stuttgarter Pilotprojekt setzt der DB-Konzern die Technologie mittlerweile auch bei den S-Bahnen in Frankfurt am Main und München ein. Die KI verarbeitet in Sekundenschnelle die aktuelle Betriebssituation auf Grundlage von rund 500 Informationen pro Minute und generiert daraus ihre Vorschläge. Sie simuliert auf Basis des Live-Betriebs laufend die Entwicklung der Verkehrslage und meldet mögliche Konflikte frühzeitig. Die Disponent:innen können so erstmals eingreifen, bevor eine Störung eintritt.
- In der Instandhaltung setzen wir KI zur visuellen Ermittlung von Schäden an ICEs ein. Diese Technologie wird künftig in mehreren ICE-Werken sowie in Regional- und Güterzügen genutzt.
Digitale Schiene Deutschland
Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz sind die zentralen Schlüssel für eine höhere Kapazität und eine optimale Auslastung des Schienennetzes. Das Zielbild der Digitalen Schiene Deutschland (DSD) umfasst hierbei ein vollständig digitales, hoch automatisiertes Bahnsystem – vom Gleis bis zum Zug sowie von digitalen Stellwerken über das European Train Control System (ETCS) bis hin zu Automatic Train Operation (ATO). Die Züge sollen hierbei zukünftig hoch automatisiert fahren, ihr Umfeld erkennen können und hochpräzise geografisch zu orten sein. Ebenso sollen sie nicht mehr in festen Blockabständen fahren, sondern in flexiblen Blöcken mit optimalen Abständen zwischen den Zügen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist innovatives Denken, Gestalten und Umsetzen im gesamten Bahnsektor notwendig. Zusammen mit der Industrie, den Verbänden und der Forschung stellt die Sektorinitiative Digitale Schiene Deutschland die Weichen für das hoch automatisierte Bahnsystem der Zukunft.
Die Umsetzung der DSD hat bereits 2020 begonnen. Im Rahmen des sog. Starterpakets hat die konkrete Planung und Installation von ETCS und digitalen Stellwerken (DSTW) im Kontext des Digitalen Knotens Stuttgart (DKS), der Schnellfahrstrecke Köln — Rhein/Main und der Durchfahrbarkeit des transeuropäischen Korridors Skandinavien — Mittelmeer (ScanMed) begonnen. Als erste Region Deutschlands wird Stuttgart die digitale Zugsicherungs- und Stellwerkstechnologie implementieren. Zur Unterstützung der korrespondierenden Fahrzeugumrüstung hat das BMDV eine Fahrzeugförderrichtlinie für die betroffenen Fahrzeuge im DKS veröffentlicht, sodass die Fahrzeugausrüstung (Regio- und S-Bahn-Triebzüge) 2022 beginnen konnte. 2022 fanden auch bereits die ersten Inbetriebnahmen im sog. Schnellläuferprogramm (SLP) statt. So wurde auf der Ruhr-Sieg-Strecke nach nur 1,5 Jahren die Stellwerks- und Signaltechnik rund-um erneuert. Gleichzeitig gehen die Arbeiten bei den Cluster-2-Projekten des SLP und den Vorserienprojekten voran. In diesen Projekten sollen moderne digitale Stellwerke errich-tet werden. Dazu sollen auch umfassende Entwicklungsleistungen bei neuen Marktteilnehmern aus der Eisenbahn- und Technologiebranche erfolgen.
Zum Jahresende 2022 ist zudem erstmals auf dem Korridor Rhine-Alpine und im hochbelasteten Bestandsnetz ein erster Streckenabschnitt mit ETCS Level 2 erfolgreich in Betrieb gegangen. Zwischen Darmstadt Süd und Laudenbach (Bergstraße) fahren die Züge nun mit modernstem Zugbeeinflussungssystem. Ebenso wurde das sog. Trackside-Approval-Verfahren (TA-Verfahren) von der Eisenbahnagentur der Europäischen Union (ERA) bewilligt. Mit der Bewilligung wird die Übereinstimmung der Ausrüstung von ETCS Level 2 mit den Interoperabilitätsvorgaben entsprechend der technischen Spezifikation für die Interoperabilität der Teilsysteme Zugsteuerung, Zugsicherung und Signalgebung (TSI ZZS) bestätigt. Es handelt sich um das erste erfolgreich abgeschlossene TA-Verfahren für ein ETCS-Projekt der DB Netz AG und die erste ETCS-Level-2-Genehmigung der ERA in Europa. Schlanke Prozesse und neue Standards bilden im Wesentlichen das Fundament der Beschleunigung. Im Ergebnis werden wertvolle Erkenntnisse für den DSD-Flächenrollout gesammelt. Das gewählte Vorgehen ist hierbei ein wichtiger Baustein für die Digitalisierung des Schienennetzes im Rahmen der DSD.
Im »Digitalen Testfeld Bahn« im Erzgebirge wird weiterhin digitale Stellwerkstechnik erprobt und der Aufbau eines 5G-Testnetzes ist zu einer wichtigen Forschungsumgebung mit acht 5G-Funkmasten entlang der Strecke geworden. Nachdem gemeinsam mit den Partnern Nokia und Kontron FRMCS-Testinstallationen realisiert wurden und erste Übertragungen möglich sind, ist die Praxiserprobung verschiedener innovativer Technologien rund um FRMCS/5G in vollem Gange. Zusammen mit der DB Erzgebirgsbahn sowie den Partnern Ericsson und Rohde&Schwarz wurde die weltweit erste Felduntersuchung von Mehrantennen-Funktechnologien im zukünftigen FRMCS-Spektrum bei 1,9 GHz durchgeführt. Die Untersuchung lieferte relevante Erkenntnisse hinsichtlich der Konnektivität zwischen Zug und Infrastruktur und zeigte, dass innovative Antennensysteme das Potenzial von FRMCS bezüglich höherer Übertragungsraten und hoher Zuverlässigkeit ausschöpfen können. Des Weiteren werden aktuell bestehende Gebäude und deren Ausrüstung zu einer Laborzentrale ausgebaut und modernisiert.
Gegenwärtig wird die Rolloutplanung auf Basis von klar definierten Ausrüstungsprioritäten adjustiert. Ein frühzeitiger Kapazitätsgewinn soll durch das Vorziehen der Ausrüstung von geschlossenen Verkehrssystemen insbesondere in Knoten realisiert werden, Obsoleszenz und betriebliche Belange sollen berücksichtigt und die Ausrüstung von Basisinfrastruktur vorlaufend begonnen werden. Ebenso 2022 neu hinzugekommen ist die Berücksichtigung der Sanierung des Hochleistungsnetzes im Rolloutplan der DSD. Dafür ist die Digitalisierung des Schienennetzes ein entscheidender und unumgänglicher Schritt. DSD ist ein wesentlicher Hebel dafür, die Verkehrswende in Deutschland voranzubringen.
DB-Konzern als Teil von Europe’s Rail
Europe’s Rail unterstützt die europäische Initiative zu Forschung und Innovation sowie Systemintegration im Eisenbahnsektor. Partnerschaftlich sollen Kosteneffizienz, Integration und Wettbewerbsfähigkeit des Bahnsektors gestärkt werden, um die übergreifende Vision des europäischen Bahnsystems ohne Systembrüche zu erreichen.
So wird u. a. an der Harmonisierung der Systemarchitektur wie auch an den technischen Spezifikationen für die Interoperabilität (TSI) gearbeitet. Weitere Schwerpunktthemen sind die Digitalisierung des Güterverkehrs mit der Digitalen Automatischen Kupplung (DAK), die Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik bis hin zum Automatisierten Bahnbetrieb (ATO).
Digitale Instandhaltung
Durch Digitalisierung und Automatisierung der Instandhaltung wird die Verfügbarkeit der Fahrzeuge und Anlagen erhöht.
- Die Digitalisierung der Fahrzeugflotten für eine bessere Zustandsüberwachung schreitet voran. Die Digitalisierung von rund 800 Fahrzeugen aus drei Baureihen wurde gestartet. Die ersten 140 Fahrzeuge wurden 2022 mit Sensorik ausgerüstet, um Zustandsdaten aus den Fahrzeugen für zustandsbasierte Instandhaltung und damit bessere Asset-Produktivität, Verfügbarkeit und Kostenstrukturen zu nutzen. Bis Ende 2024 sollen alle Fahrzeuge umgerüstet sein und als Blaupause für weitere Baureihen dienen.
- Die digitale Flottensteuerung wird bei DB Regio als zentrales Element der digitalen Instandhaltung von Fahrzeugen implementiert. Der Rollout der Anwendung »dLox« zur technischen Erfassung von Schäden am Zug durch das Zugpersonal wurde nach erfolgreicher Nutzung bei DB Cargo auch bei DB Regio gestartet. Seit Ende 2022 wird dLox in drei Regionen produktiv genutzt. Bis Mitte 2023 werden in Summe rund 24.000 Betriebspersonale bei DB Cargo und DB Regio die Anwendung im täglichen Betrieb nutzen.
- Die Automatisierung und Digitalisierung in den Werken nimmt Fahrt auf. Bis Ende 2023 wird die Anzahl automatisierter Überfahrmessanlagen auf 15 Anlagen wachsen. Alle Werke von DB Fernverkehr sowie nahezu alle Metropol-S-Bahnen bei DB Regio werden dann über diese modernen Anlagen verfügen, wodurch manuelle Tätigkeiten sowie die Werkaufenthaltszeit deutlich reduziert werden.
- Das Projekt E-Check sorgt für eine kamerabasierte Teilautomatisierung der visuellen Prüfungen in der Instandhaltung der ICE-Flotte von DB Fernverkehr an fünf Standorten. Zusätzlich erledigen zwei mit Robotern ausgerüstete autonome Fahrzeuge die Versorgung mit Frischwasser und die Entsorgung des Abwassers. Die erste Anlage wird im ersten Halbjahr 2023 aufgebaut. Bis Ende 2024 erfolgt der schrittweise Aufbau von weiteren Anlagen in fünf Werken.
- Der Rollout des bei DB Fernverkehr erfolgreich eingeführten Systems iMate zur KI-basierten Materialerkennung auf weitere Geschäftsfelder wurde gestartet. Die Anwendung steht zukünftig rund 16.000 Mitarbeitenden der Instandhaltung zur Verfügung und vereinfacht die Materialsuche. Durch Abgleich eines Fotos mit einer Bilddatenbank wird das richtige Bauteil schnell und sicher identifiziert.
- Im Werk Kassel wird die Radsatzwerkstatt digitalisiert, um die Liefertreue zu verbessern. 2022 wurde die digitale Rückmeldung eingeführt, sodass zu jedem Zeitpunkt im Produktionsprozess Transparenz über den Fortschritt besteht sowie eine Liefervorschau möglich ist.
Digitalisierung der Fahrzeugflotte
Wir haben das bisher größte Modernisierungsprogramm für unsere Fahrzeugflotte gestartet. Auf der Messe InnoTrans 2022 zeigten wir zahlreiche Innovationen und Neuheiten, wie etwa den DB Regio Ideenzug, den neuen ICE L, die Digitale Automatische Kupplung für Güterzüge oder die Cargo-Zweikraft-Lok. Die Herausforderung der Zukunft, mehr Züge auf die Schiene zu bringen und zugleich pünktlicher und zuverlässiger zu werden, lösen wir mit Digitalisierung und neuen Technologien. In unserem Versuchszug, dem advanced Train-Lab, zeigten wir, wie sich das Know-how aus 180 Jahren Eisenbahn mit neuester Forschung verbindet.