Europäisches Umfeld
DB-Konzern
Überarbeitung EU-Richtlinie über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführer:innen
Die Europäische Kommission nimmt eine Überarbeitung der Richtlinie 2007/59/EG über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführer:innen vor. Ziele der Überarbeitung sind die Verbesserung der Mobilität von Triebfahrzeugführer:innen im grenzüberschreitenden Verkehr im gesamten Schienennetz der EU sowie der erleichterte Wechsel zu anderen Arbeitgebern. Hierbei werden die Themen einheitliche Betriebssprache, Harmonisierung der Ausbildung und neue Struktur des Führerscheins und der Zusatzbescheinigungen im Vordergrund stehen.
Die Vorlage des Gesetzgebungsentwurfs sollte schrittweise ab Ende 2023 erfolgen. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass dies aber voraussichtlich erst ab Ende 2024 erfolgen wird.
Das Hauptthema bei der Triebfahrzeugführerschein-Richtlinie bleibt die Frage der Einführung einer europaweiten (zweiten) Betriebssprache sowie der erforderlichen Sprachkompetenzlevel und deren Auswirkungen auf Sicherheit, Praktikabilität und Kosten. DB-Konzern, die französische Staatsbahn SNCF und die International Union of Railways (UIC) haben auf politischer Ebene die Diskussion angestoßen, ob und in welchem Umfang digitale Übersetzungstools eine Lösung darstellen. Die Europäische Kommission prüft nun, inwieweit vorhandene Sprachbarrieren auch technisch überwunden werden können.
Das europäische Greening Transport Package
Bis 2050 sollen die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 90% reduziert werden. Zu diesem Zweck hat die Europäische Kommission am 11. Juli 2023 ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgelegt. Für den Schienenverkehr sind folgende Vorschläge mit unmittelbarer Relevanz enthalten: ein effizienteres Kapazitätsmanagement im grenzüberschreitenden Schienenverkehr, die Überarbeitung der Richtlinie für höchstzulässige Maße und Gewichte im Straßengüterverkehr sowie ein Vorschlag zur einheitlichen Berechnung verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen. Der Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie für den Kombinierten Verkehr wurde in einem zweiten Schritt am 7. November 2023 ergänzt. Die Gesetzgebungsvorschläge der Europäischen Kommission werden nun im Europäischen Rat und im Europäischem Parlament behandelt. Mit Blick auf die bevorstehenden Europawahlen im Juni 2024 wird das Gesetzgebungsverfahren voraussichtlich erst 2025 abgeschlossen. Die Initiativen werden im Folgenden einzeln dargestellt.
Bessere Koordination und Management des internationalen Schienenverkehrs
Ziel des Vorschlags ist die Schaffung eines effektiveren Kapazitätsmanagements auf der Schiene und insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr. Eisenbahnverkehrsunternehmen sollen Kapazitäten künftig flexibler und netzübergreifend über einen nationalen Infrastrukturbetreiber beantragen können. Zur Lösung von Kapazitätskonflikten sollen sozioökonomische und umweltbezogene Kriterien herangezogen werden. Auch die Vertragsbedingungen zwischen Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnverkehrsunternehmen sollen reziproker ausgestattet werden, bspw. in Bezug auf Änderungen von zugewiesenen Kapazitätsrechten. Der Verordnungsentwurf enthält grundlegende Änderungen an den bestehenden Bestimmungen zur Vergabe der Fahrwegkapazität in der EU-Richtlinie 2012/34.
Überarbeitung Richtlinie über den kombinierten Verkehr
Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht vor, dass künftig nur noch Verkehre als Kombinierter Verkehr eingeführt und gefördert werden, die mindestens 40% weniger externe Kosten verursachen als der Güterverkehr über die Straße. Die EU-Mitgliedstaaten sollen einen nationalen Strategierahmen zur Senkung der durchschnittlichen Kosten des Kombinierten Verkehrs um 10% vorlegen. Einzelheiten wie die Berechnung der externen Kosten und die Prüfung der Vorgaben mithilfe der geplanten digitalen Plattformen sollen in nachgelagerten Rechtsakten festgelegt werden.
Revision Richtlinie zu Abmessungen und Gewichten im Straßengüterverkehr
Im Fokus des Richtlinienvorschlags steht die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Einsatzes von längeren und schwereren Nutzfahrzeugen auf Basis des Europäischen Modularen Systems (EMS) bzw. Gigalinern, sofern diese in den Mitgliedstaaten bereits zugelassen sind. Zur Förderung von emissionsfreien Lkw dürfen diese um 90 cm länger und bis zu 4 t schwerer sein. Ziel der Europäischen Kommission ist es, den Einsatz schwerer Nutzfahrzeuge mit fossilen Brennstoffen bis 2035 schrittweise einzustellen. In einer Übergangszeit bis Ende 2034 dürfen allerdings auch konventionelle Verbrenner-Lkw schwerer und länger sein. Entscheidend ist, dass die Vorschläge nicht zu einer Rückverlagerung von Verkehren von der Schiene auf die Straße führen.
Vorschlag für Richtlinie zur einheitlichen Erfassung und Berechnung von verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen
Mit CountEmissions EU will die Europäische Kommission einen harmonisierten europäischen Rahmen für die Berechnung verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen sowie de-ren Berichterstattung schaffen. Die Berechnung soll sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr Anwendung finden. Über die einheitliche Berechnung mittels des Weltstandard ISO 14083:2023 sollen die Nutzer:innen, Verbraucher:innen und Unternehmen transparente Informationen erhalten, die es ermöglichen, Emissionen zu vergleichen.
Personenverkehr
Gesetzgebungsvorschlag Multimodal Digital Mobility Services
Die Europäische Kommission hat einen Gesetzgebungsvorschlag zu Multimodal Digital Mobility Services (MDMS) angekündigt, der datentechnische Aspekte des Vertriebs (z. B. Weitergabe von Echtzeit- und Prognosedaten) und auch rein kommerzielle Punkte regeln soll (z. B. Verpflichtung zum Eingehen von Vertragsbeziehungen unter bestimmten Umständen). Die Europäische Kommission strebt an, den Zugang zu bestehenden Verkaufskanälen sowie zu Echtzeitdaten zu lockern. Zudem soll u. a. die Weiterreise bei Störungen verbessert werden (Journey Continuation). Die Vorlage des Gesetzgebungsentwurfs der Europäischen Kommission ist mehrfach verschoben worden. Auch der letzte Vorlagetermin im Oktober 2023 ist bis auf Weiteres verschoben worden. Voraussichtlich wird die Europäische Kommission ihren Vorschlag nun erst in der nächsten EU-Legislatur, die 2024 beginnt, vorlegen.
Aktuell richtet der DB-Konzern den internationalen Vertrieb anhand der im September 2021 beschlossenen sog. Ticketing Roadmap des europäischen Dachverbands Community of European Railway and Infrastructure Companies (CER) noch stärker auf Europa aus. Im Zentrum der Roadmap stehen eine Implementierung der wichtigsten Meilensteine mit Fokus auf die Schiene bis 2025 und eine Ausweitung auf multimodale Anwendungen bis 2030. Zentraler Baustein ist u. a. eine europaweite Implementierung des Open Sales and Distribution Models (OSDM), einer gemeinsamen technischen Schnittstelle zur Verbindung der Ticketingsysteme des Bahn- und Vertriebssektors in Europa.
Vorschläge für multimodale Passagierrechte sowie zur Stärkung der Rechte der Kund:innen
Die Europäische Kommission hat am 29. November 2023 das Passenger Mobility Package vorgelegt. Es enthält u. a. Vorschläge für eine neue Verordnung für multimodale Passagierrechte sowie einen Vorschlag zur Änderung der europäischen Passagierrechteregelungen zur Stärkung der Rechte der Kund:innen. Die Europäische Kommission vertritt die Auffassung, dass die Fahrgastrechte in der EU sowohl für Verkehrsunternehmen als auch für die Reisenden klarer formuliert und deren Umsetzung verbessert werden sollten. Darüber hinaus stellte die Europäische Kommission fest, dass es keine EU-Rechtsvorschriften gebe, die die Rechte von Reisenden garantieren, die verschiedene Verkehrsmittel kombinieren. Insbesondere für durchgehende multimodale Beförderungsverträge wird eine neue Haftung etwa beim Anschlussverlust zwischen zwei Verkehrsmittel eingeführt. Für den DB-Konzern könnte die neue multimodale Passagierrechteverordnung insbesondere Auswirkungen haben für Kooperationen mit Fluggesellschaften. Die Verordnung zur Änderung der europäischen Passagierrechteregelungen erhöht die Dokumentationspflichten beim Abschluss von Beförderungsverträgen und führt ein Monitoringsystem für die Erfüllung passagierrechtlicher Anforderungen ein.
Infrastruktur
Revision der Verordnung über Leitlinien zum Aufbau eines Transeuropäischen Verkehrsnetzes
Die Europäische Kommission hat am 14. Dezember 2021 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Verordnung über die Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V-Netz) vorgelegt. Ziel ist eine schnellere Vollendung des multimodalen TEN-V-Kernnetzes bis 2030 sowie des TEN-V-Gesamtnetzes bis 2050. Am 18. Dezember 2023 haben Europäischer Rat und Europäisches Parlament eine vorläufige Einigung über den Vorschlag erzielt. Diese bestätigt das vorgeschlagene neue Netzwerkdesign mit den Zielhorizonten 2030 (Kernnetz), 2040 (erweitertes Kernnetz) und 2050 (Gesamtnetz). Um eine rechtzeitige Fertigstellung zu gewährleisten, sind Durchführungsrechtsakte für die wichtigsten grenzüberschreitenden Abschnitte und andere spezifische nationale Abschnitte entlang der europäischen Verkehrskorridore vorgesehen. Vereinbart wurden u. a. Vorgaben für die Einführung des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems (European Rail Traffic Management System; ERTMS) und die Abschaltung von Class-B-Zugsicherungssystemen, Mindeststreckengeschwindigkeiten von 160 km/h für Personenzüge und 100 km/h für Güterzüge sowie eine bessere Integration von Häfen, Flughäfen und multimodalen Güterterminals in das TEN-V-Netz. Für den Schienengüterverkehr wurden betriebliche Anforderungen bspw. zu Grenzabfertigungszeiten aufgenommen. Die Revision wird voraussichtlich im ersten Halbjahr 2024 in Kraft treten.